Wir haben die wohlgesetzten Worte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier noch in unseren Ohren, als er betonte, dass Museen als "Zonen des freien Austausches“ zur Daseinsvorsorge der Gesellschaft gehören.
Bedingt durch die Pandemie waren die Museen gezwungen, für viele Wochen in den Lockdown zu gehen und die Pforten zu schließen. Besucher mussten fernbleiben, gesellschaftlicher interkultureller Austausch fand nicht mehr statt, Ausstellungen mussten aufgegeben, verschoben oder abgesagt werden, künstlerische Engagements wurden aufgekündigt, Budgets heruntergefahren, eingefroren, oder wurden für das nächste Jahr bereits gekürzt. Der gesamte Kultursektor stand still und hat in weiten Bereichen verloren…
Für wenige Wochen kehrte Leben zurück in die Museen, die weitgehend wieder geöffnet werden durften, nachdem sie Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln akribisch umgesetzt haben. Die Limitierungen von Besuchern wurden klaglos hingenommen, wenngleich bei vielen Institutionen die Angst umhergeht, weil die Einnahmen dadurch fehlen werden.
Führungen, Workshops, Veranstaltungen mit Besucher*innen etc. wurden bis zum erlaubten Maß reduziert und dennoch viele Programme umgesetzt sowie die Motivation der Mitarbeiter*innen beibehalten. Trotz Befolgung aller Auflagen und Einschränkung zahlreicher Veranstaltungen haben die Museen ihre Aufgabe gut gemeistert und somit wirtschaftliche Einbußen noch abgefedert.
Hotspots sind unserer Kenntnis nach hier nicht entstanden. Vor allem aber waren Museen für die Menschen da: im wahrsten Sinne eben „offen“ – für die Begegnung mit der Kunst und Kultur, für zumindest reduziert ermöglichte Gespräche sowie lebendigen Austausch. Museen haben die Kommunikation und ihren Bildungsauftrag aufrechterhalten.
Der erneute Lockdown trifft diese unerwartet, hart und ungerechtfertigt.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt und die Freiheit der Kultur sind nun auf breiter Front in Frage gestellt. Wir empfinden die Schließung der Museen und anderer Kultureinrichtungen als das falsche Signal in einer krisengebeutelten Zeit. Sie stellt den Wert der Kultur und Kunst in Frage und schafft zur Covid-19-Krise auch eine Kulturkrise. Wieviel ist uns die Kultur wirklich wert?
Bleibt sie Daseinsvorsorge? Wollen wir sie immer noch als „Zone des freien Gedankenaustauschs? Oder wird das gerade durch „Sachargumente“ ausgehebelt?
Die Menschen in Deutschland und mit ihnen die Museumsfachleute sind zutiefst verunsichert. Die Perspektiven fehlen und selbst die minimalste Planungssicherheit für die nächsten 12 Monate. Es geht nun nicht nur um eine finanzielle Absicherung, sondern auch um die emotionale Unterstützung der Kulturschaffenden sowie des gesellschaftlichen Engagements. Es geht um die Wertigkeit der Kultur in unserer Gesellschaft.
Wir fordern die aktive Beteiligung an der Justierung der Maßnahmen angesichts der vielzähligen Möglichkeiten zur Eindämmung der Pandemie. Gerade jetzt ist gesellschaftlicher Dialog, ist die Freiheit der Kunst, Theater, Orchester und Kinos notwendiger denn je. Sie ist der einzige Sektor unserer Gesellschaft, der emotionale Kraft entfaltet und Freiräume des Denkens ermöglicht. Mit seiner kreativen Kraft trägt er dazu bei, gesellschaftlich und künstlerisch die Krise durchzustehen und zu meistern. Die Verantwortung für das Heute und Morgen fordert von uns, die Kultur auch als Kultur unseres gesellschaftlichen Miteinanders und des Wissensdiskurses zu begreifen. Das kann und darf man nicht verschließen.
Ihre Beate Reifenscheid