Austausch zur Konzeption von suffizienten Museumstools
Die AG Nachhaltigkeit des ICOM Deutschland Young Professional Netzwerks beteiligte sich am diesjährigen 17. Internationalen Bodensee-Symposium mit einer interaktiven Fishbowl- Diskussion zu suffizienten Museumstools. Das Symposium stand unter dem Motto „Inspiration Museum: Strategien für eine nachhaltige Zukunft“. Es wurde vom 12. bis zum 14. Mai 2022 seitens ICOM Deutschland, ICOM Österreich sowie ICOM Schweiz veranstaltet und im Vorarlberg Museum in Bregenz von ICOM Österreich ausgerichtet.
Mit ihrem Beitrag wagten sich die Young Professionals an einen bisher noch kaum diskutierten Themenkomplex: Die Schnittstellen von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Im Rahmen der Fishbowl-Diskussion besprachen Harriet Meyer und Laura Zebisch die Erkenntnisse aus der AG Nachhaltigkeit mit den Museumspraktiker:innen Dr. Johannes Bernhardt (Digital Manager des Badischen Landesmuseums), Joshua Enslin (Entwickler von museum-digital), Dr. Franziska Mucha (Kuratorin für digitale und partizipative Museumspraxis im Historischen Museum Frankfurt) sowie mit ca. 25–30 Tagungsgästen. Im Fokus standen die vier Dimensionen der Suffizienzstrategie nach Steffen Lange und Tilman Santarius: Techniksuffizienz, Daten- bzw. Softwaresuffizienz, Nutzungssuffizienz und sozial-ökonomische Suffizienz. Suffizienz bedeutet vereinfacht ausgedrückt: „So viel Digitalisierung wie nötig, so wenig wie möglich.”[1] Es geht also darum, das richtige Maß zu finden.
Auch wenn das Thema für alle Beteiligten neu war, gelang es den Diskutant:innen, die Bedeutung der digitalen Suffizienz für die Museumsarbeit zu skizzieren und hinsichtlich ihrer eigenen Arbeit zu reflektieren. Beispielsweise führte Franziska Mucha an, dass sich vor dem Hintergrund der Weiternutzung des Projekts Stadtlabor Digital des Historischen Museums Frankfurt insbesondere der Aspekt der Nutzungssuffizienz erkennen ließe. Die kartenbasierte Webanwendung ist seit 2017 online und bietet eine offene und flexible Infrastruktur für die partizipative Erschließung des Frankfurter Stadtraums. Sie kann ganz unterschiedlich genutzt werden. Unter anderem wurde sie als Rapid Response Projekt während der ersten Covid Lockdowns verwendet oder Frankfurter Schulen setzen sie als Werkzeug für Ergebnispräsentationen von Projektwochen ein. So entstehen immer wieder Anwendungsszenarien und damit einhergehend neue Vernetzungen in die Stadtbevölkerung, die dazu beitragen, dass ressourcen- und energieintensive Doppelstrukturen vermieden werden können.
Museen sollten außerdem ihre Digitalprojekte möglichst mithilfe von Open Source z.B. über GitHub zur Verfügung stellen, damit andere Akteur:innen an diesen weiterarbeiten und die Anwendungen weiternutzen können. Das spart überdies Entwicklungskosten und ermöglicht auch kleineren Museen Digitalprojekte zu implementieren. Joshua Enslin gab jedoch zu bedenken, dass seiner Erfahrung nach selbst Open Source-Anwendungen in der Praxis oft ungenutzt blieben, da es gerade in kleineren Museen an Personal fehle, welches diese installieren und betreuen könne.
Von zentraler Bedeutung waren für die Diskussionsrunde ferner die Fragestellungen: Was will ein Museum im Digitalen? Sind die Ziele der digitalen Projekte klar? Wie sieht die digitale Alltagspraxis derzeit in Museen aus? Johannes Bernhardt machte deutlich, dass diese Fragen vor der Entwicklung digitaler Museumsangebote geklärt werden müssten. Denn nur dann können sie im Weiteren mit der Nachhaltigkeitsfrage verknüpft werden. Daher plädierte er dafür, eine neue Dimension in die Debatte einzuführen, und zwar die der Zielsuffizienz im Sinne einer nachhaltigen Zieldefinition.
Am Ende der Diskussion wurde schließlich der Wunsch formuliert, zukünftig digitale Angebote hinsichtlich der Nutzer:innengruppen besser zu evaluieren, um genauere und nachhaltigere Codes schreiben zu können. So hat man sich z.B. bei museum-digital (einem Zusammenschluss von Museen zur gemeinsamen, digitalen Publikation und zunehmend auch zur Inventarisierung von Museumsdaten) auf den Kompromiss geeinigt, dass neue Inventarisierungskategorien mindestens für Institutionen zweier Sparten sinnvoll sein müssen, damit sie neu integriert werden. Zusätzlich zur Nutzer:innenzentrierung war es den Beteiligten wichtig festzuhalten, in Zukunft mehr die Anbieter:innen digitaler Leistungen in den Nachhaltigkeitsdiskurs miteinzubeziehen.
Der Beitrag der Young Professionals nahm ein wichtiges Feld der musealen Transformation in den Blick und zeigte den Forschungsbedarf im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit auf.
[1] Lange, Steffen/ Santarius, Tilman (2018): Smarte Grüne Welt. Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit. München: oekom Verlag, S.152.