Pandemie – Ende in Sicht?

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Die Pandemie zeigt sich selbst im Mai 2021 noch immer mit voller Wucht und hat alle Lebensbereiche sowie den Kultursektor weltweit nachhaltig erschüttert. Auch wenn Deutschland bislang weitgehend „glimpflich“ durch diese Pandemie gekommen sein mag, so sind dennoch mehr als 80.000 Tote im Zusammenhang mit Covid-19 verzeichnet worden (Stand Mitte Mai 2021) und weltweit sogar 3,2 Millionen (stetig steigend). Egal, wohin man schaut und hinhört – die Auswirkungen werden geradezu im Minutentakt über alle medialen Kanäle ausgestrahlt. Der Fokus liegt jedoch eindeutig nicht bei den Museen und nicht bei der Kultur insgesamt.

In Deutschland bedeutete dies, dass nach fast fünf Monaten des Stillstands und der geschlossenen Museen, diese für knappe drei Wochen an einigen Orten zwar öffnen konnten, dann jedoch weiter in den Schließmodus geraten sind. Im letzten Jahr sah es kaum besser aus: bereits ab März 2020 lag das kulturelle Leben brach, alle kulturellen Einrichtungen wurden über Monate – bis auf eine kurze Pause im Sommer – geschlossen und bis vor kurzem auch ganz vom öffentlichen Leben abgeschnitten. Viele Künstler und Soloselbständige verloren mittel- und langfristig nahezu alle Möglichkeiten aufzutreten und ihren regulären Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch Tourismus sowie Gastronomie liegen brach. Sie alle agieren in einem kulturellen und gesellschaftlichen Ökosystem, in dem sich diese wechselseitig beeinflusst und befruchtet.

Für die Museen weltweit sind die Einbrüche und Folgen noch nicht absehbar, gerade große amerikanische Museen, aber auch die „Flaggschiffe“ unter den bedeutenden Museen in Europa kämpfen gerade mühevoll um die Rückkehr zur Normalität, die in Bezug auf Besucherzahlen noch lange nicht an altbekannte Ziffern anknüpfen wird. Erhebungen von ICOM International zufolge sind die Zahlen dramatisch:

https://icom-deutschland.de/de/component/content/article/30-covid-19/305-unesco-bericht-museums-around-the-world-in-the-face-of-covid-19-april-2021.html?Itemid=114

https://icom-deutschland.de/de/aktuelles/covid-19.html

Auch in Deutschland ist die Lage immer noch beunruhigend, selbst jetzt noch, wo absehbar mehr und mehr Museen wieder in der Lage sind, Ihre Türen zu öffnen, Ausstellungen zu bieten und voraussichtlich im Spätsommer auch wieder mehr Publikumsprogramme realisieren zu können.

ICOM Deutschland, der Deutsche Kulturrat, der Deutsche Kunstrat, der Deutsche Museumsbund, die Akademie der Künste und andere haben in den vergangenen Monaten kontinuierlich den Dialog mit der Politik gesucht und bieten Unterstützung bei gemeinsamen Lösungsmodellen an. Unbestritten sind durch die großen Unterstützungsmaßnahmen, z.B. das „Neustart“-Programm des BKM zur Unterstützung des Kultur- und Museumssektors sowie zahlreicher Galerien und Künstler*innen wichtige Hilfsmittel bereitgestellt worden, um brennende Probleme abzufedern. Neustart Kultur wird bereits in seiner zweiten „Auflage“ weitreichend genutzt. Es gab und gibt Unterstützung insbesondere für Galerien sowie für Museen im Bereich der digitalen Vernetzung, der virtuellen Angebote – von interaktiven Apps, bis hin zu Augmented Reality-Programmen. Die Museen haben weitreichend aus der Not eine Tugend gemacht und sich oft als sehr erfinderisch erwiesen. Zweifelsohne sind die Angebote vielfältiger geworden und haben Besucherbindung bewirkt – und nicht zuletzt auch das Bewusstsein geschärft, wie essentiell Museen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind.

Dennoch: Die Verzweiflung und der Ärger vieler Akteure im Kultur- und Museumssektor greifen mehr und mehr um sich. Der Eindruck, dass die Politik sich nicht auf eine gemeinsame Strategie einlassen kann oder will, verstärkt sich. Museen und Theater wurden im Rahmen der Gesetzgebung zur Eindämmung der Pandemie kurzerhand gleichgesetzt mit der Vergnügungsbranche (und Bordellen) - beide haben gleichwohl ihre Daseinsberechtigung - und mit der Bundesnotbremse sieht man sich weiterhin in einem „kulturellen Vakuum“. Zu Recht fragen sich viele, warum Hygienekonzepte und Adressnachverfolgung, Corona-App und Schnelltests – warum das alles nicht ausreichend sein soll, um nicht wenigstens in reduziertem Maß Besucher*innen wieder in die Museen zu lassen und Mitarbeiter*innen an ihre angestammten Arbeitsplätze.

Es klafft eine Lücke in unserem öffentlichen Bewusstsein, die sich zwischen dem Credo „Kunst ist ein Lebensmittel“ und dem Appell „macht alles dicht“ zerreißt. Es ist weniger die Frage nach der Relevanz, sondern mehr noch, warum sich Gesellschaften auf der ganzen Welt gerade in Zeiten von Not – und eine Pandemie mit zigtausend Toten und vernichteten Lebensexistenzen ist eine kaum wegzudiskutierende Not – es sich leisten, vieles von dem auszublenden, was gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt, was Freude und Motivation bietet, was kulturelle und gesellschaftliche Bildung ausmacht und damit genau das, was uns diese Zeit zu ertragen und positiv umzuwandeln hilft. Wenn wir an die „guten Momente“ während der Pandemie denken, dann sind es die spontanen Performances im Netz, die viral gingen, die Gesänge und Konzerte im letzten Jahr, die über Balkone hinweg einfach stattfanden und schließlich die neuen digitalen Formate, mit denen man andere Zugänge zu Museen, ihren Ausstellungen und Sammlungen fand. Dennoch – digital ersetzt jedoch nicht real. Museen jedoch sind in erster Linie gelebte Realität von Kultur und Diskurs, von realem Erkenntnis- und Erlebensraum, von Wissenschaft und gesellschaftlichen Dialogen.

Es wird sich jetzt und in den kommenden Jahren zeigen, ob der politische Wille die Museumslandschaft, für die Deutschland weltberühmt ist, stärkt und finanziell unterstützt. Länder und Kommunen werden die Haushaltkonsolidierungen möglicherweise nutzen, um gerade an der Kultur am drastischsten zu sparen. Hier wird sich zeigen, ob neben den unbestritten herausragenden Institutionen, auch die Breite und Vielfalt der kommunalen und ehrenamtlich geführten Museen weiterhin unterstützt werden. Nur in der Vielfalt der breit aufgestellten Museumskultur, die zugleich Spiegel des Wissens-, des Bildungs- und der Erinnerungskanons ist, findet sich Gesellschaft wieder. Gerade hier finden Wertschöpfung des kulturellen Erbes, das Verstehen der Gegenwart und die Gestaltung des Zukünftigen auf lebendige und innovative Weise statt.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür einstehen, dass mit der Öffnung der Museen und mit der Rückkehr der künstlerischen Vielfalt ein gestärktes Bewusstsein dafür aufkommt, dass all dies das Rückgrat unserer Gesellschaft ausmacht und dass der kulturelle Dialog mit und über Kultur und Kunst uns vor Übergriffen von anti-kulturellen, anti-demokratischen und anti-humanistischen Bestrebungen schützt. Eine von der Gesellschaft abgeschnittene oder ausgesperrte Museumslandschaft und Kulturszene darf es nicht geben – auch nicht in Zeiten von Pandemien.

                                                                                                                                              Beate Reifenscheid

Dieser Beitrag wird in den Mitteilungen 2021 von ICOM erscheinen.

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