Am 8. März 1917 hatten Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in Sankt Petersburg gestreikt, weil sie sich für „Frieden und Brot“ einsetzen wollten. Dieser Streik erzielte weltweite Aufmerksamkeit, da er zu einer immer größer werdenden Menge an Streikenden anwuchs und schließlich zur Oktoberrevolution führte. Mit ihr ging das zaristische Reich unter. Im Jahr 1921 wurde dieser Tag auf Wunsch von Clara Zetkin, der ersten Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin, zum ersten Frauentag aufgerufen, den sie jedes Jahr am 8. März gedenken wollte.
Heute, genau 105 Jahre später, ist in vielen Teilen der Welt die Selbstbestimmung und freie Entfaltungsmöglichkeit vieler Frauen noch immer nicht erreicht, oder erneut mit großen Rückschritten wieder ins tiefe Mittelalter gerückt. Mehr noch aber erfüllt es uns alle mit Sorge, dass gerade in Russland, dem Land, von dem die Bewegung ihren Ausgang nahm, heute eine ganz andere Realität alles überschattet.
Die Krise, durch die der Frieden in Europa in Gefahr geraten ist, erschüttert nicht nur die Politik, sondern alle von uns: insbesondere Familien, Frauen und Mütter, die um ihre Söhne im Krisen- und Kriegsgebiet bangen, aber auch junge Menschen, die sich ihre Zukunft anders als im Kriegsszenario erhofft hatten. Leid, Elend und Tod ist über Europa eingebrochen.
Es ist genau jetzt der Moment in der Geschichte, in dem sich die Kraft und der Zusammenhalt der Frauen als grundlegende Basis für den positiven Glauben an eine gemeinsame Zukunft richtet. Ukrainische Frauen, die Tarnstoffe nähen, die sich um Familie und Kranke kümmern, die Aufstehen gegen Machtmissbrauch, Terror und Krieg – dieser mutigen Frauen bedarf es genau jetzt. Die ukrainischen Kolleg*innen leben es nicht nur vor, sondern kümmern sich auch um den Schutz der kulturellen Schätze ihres Landes. Ihr Mut und ihrem Verantwortungsbewusstsein haben wir alle viel zu verdanken. Jetzt aber brauchen sie unsere Hilfe und Fürsorge. Wer genau jetzt helfen kann, sollte dies großherzig tun und sich für Humanität und Völkerverständigung einsetzen. Gerade jetzt sind die alten Werte wieder bedeutsam: Brot und Frieden.
Ihre Beate Reifenscheid