***Please see below for information in Ukrainian***
ICOM Deutschland legt den Fokus auf die Vernetzung von ukrainischen Kulturinstitutionen mit Netzwerkpartner*innen, um die Unterstützungsmaßnahmen von deutscher Seite zu gewährleisten. Im vergangenen Monat (Stand 27.06.2022) konnten individuelle Anfragen von Museen, Bibliotheken und Archiven, aber auch von Einzelpersonen gezielt weitervermittelt werden. Daneben konzentriert sich ICOM Deutschland verstärkt auf die Kommunikation des Angebots des Netzwerks Kulturgutschutz Ukraine, um den Dialog mit den verschiedenen Museen zu intensivieren. Dabei wurden zum einen Kulturinstitutionen in Deutschland dafür gewonnen, sich für das Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine zu engagieren. Zum anderen werden Akteur*innen in der Ukraine proaktiv kontaktiert und neue Kooperationen für langfristige Hilfsaktionen in Form von institutionellen Partnerschaften initiiert. Dabei arbeiten ICOM Deutschland und das Netzwerk intensiv mit ICOM Polen, ICOM Österreich, ICOM Schweiz und ICOM International zusammen. Sie erreichen die Kontakt- und Kordinierungsstelle über die E-Mail-Adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Einrichtungen und Initiativen, die Bedarfe vor Ort oder Sachspenden anmelden möchten, können auch folgende Formulare nutzen:
- Formular für Hilfegesuche
- Formular für Sachspenden
- Spende oder Bedarf für Digitalisierungsequipment anmelden (3D-, 2D-Scanner, Computer, Kameras)
Zerstörungen beeinträchtigen die Hilfsaktionen
Seit Beginnn des russischen Angriffskriegs wurden laut ukrainischem Kulturministerium über 381 Kulturstätten beschädigt. Zerstörungen werden insbesondere aus den Regionen Kiew, Sumy, Luhansk, Donezk – u.a. die vollständige Zerstörung Mariupols – und Czernowitz gemeldet. Die UNESCO bestätigte Ende Mai die Beschädigung von 139 Kulturstätten. Von Aktionen gezielten Kunstraubs berichtete das ukrainische Verteidigungsministerium, neben Melitopol, auch aus der Region Cherson.
Die zerstörte Infrastruktur, besonders in den Bereichen Verkehr und Energie, beinträchtigt die Hilfsmaßnahmen derzeit stark. Die Versorgung mit Energie und Treibstoffen gestaltet sich immer schwieriger. Dies blockiert nicht nur die Hilfstransporte auf der Straße und Schiene. Insbesondere die Versorgung der Kulturinstitutionen mit Strom, um z.B. die richtigen konservatorischen Bedingungen der Kunstwerke zu gewährleisten, ist nicht mehr gesichert. Konkret steigt derzeit ebenfalls der Bedarf an finanzieller Förderung von Kulturschaffenden in der Ukraine in Form von Partnerschaften und Förderprogrammen, um ihnen die Fortführung ihre Arbeit zu ermöglichen, vor Ort in der Ukraine oder aber auch remote.
Logistiknetz für Hilfslieferungen
KulturGutRetter hat mit dem THW, Blue Shield Deutschland, der Deutschen Gesellschaft für Kulturgutschutz, SiLK SicherheitsLeitfaden Kulturgut und den Notfallverbünden, sowie der Unterstützung durch das Kulturerhalt-Programm des Auswärtigen Amtes, ein Logistiknetzwerk zur Sammlung und Weiterleitung von Hilfslieferungen aufgebaut. Bisher wurden 160 Paletten mit einem Transportvolumen von 269 Kubikmetern nach Hilden geliefert. Sie werden im Rahmen des Europäischen Katastrophenschutzverfahrens (UCPM) abhängig von der aktuellen Lage im Kriegsgebiet nach Lwiw oder Kiew geliefert und von dort aus durch das Ministerium für Kultur und Informationspolitik der Ukraine verteilt. Die dezentralen Sammelstellen bereiten parallel die nächsten Lieferungen an die zentrale Sammelstelle vor. Das nun etablierte Logistiknetzwerk ist darauf ausgelegt, so lange operativ zu bleiben, wie es die Lage erfordert.
Ukraine Art Aid Center
Die Kontaktstelle UA Art Aid ist eine Matchmaking-Plattform für Hilfsanfragen von Kulturinstitutionen in der Ukraine und Hilfsangeboten von Institutionen aus Nachbarstaaten und beteiligten Ländern in den Bereichen Materialspenden, finanzielle Unterstützung und spezialisierte Beratungsangebote für Museumsfachleute. Darüber hinaus dient sie als Informationsstelle für Geldgeberinstitutionen, die die konkreten Bedarfe ukrainischer Kultureinrichtungen finanziell unterstützen möchten. Sie steht unter der Schirmherrschaft des Verbands Deutscher Kunsthistoriker. Im Mai erreichten vier LKW-Transporte der Speditionsfirmen Tandem, Lagerhaus Frechen, und Brandl, Lagerhaus Köln, die Regionen Kiev und Czernowitz. Die Lieferungen umfassen insbesondere Verpackung, Brandschutz, feuerfeste Decken sowie Restaurierungsbedarf. Dabei wurde unter anderen mit den folgenden internationalen Partner*innen kooperiert: ICOM Schweiz, Stiftung für Kunst Kultur und Geschichte Winterthur, Coromandel Stiftung und World Heritage Watch.
Hilfsmaßnahmen der Bibliotheken
Die Deutsche Nationalbibliothek hat die zentrale Koordinierungsfunktion für die deutschen Bibliotheken übernommen und bündelt ihre Hilfsangebote in den Bereichen Materialspenden, Stipendienprogramme und finanzielle Hilfen. Die Staatsbibliothek zu Berlin sammelt die Hilfsgesuche der ukrainischen Kolleg*innen. Derzeit benötigen Bibliotheken in der Ukraine besonders Digitalisierungshardware (internetfähige, gebrauchte PCs, Laptops, Scanner, Fotoapparate, Software zur Weiterverarbeitung der Daten als Bilddatei oder mit OCR für die Texterkennung und langfristige Datensicherung). Die Staatsbibliothek zu Berlin hat über den ukrainischen Bibliotheksverband eine Anfrage nach 50 gebrauchten PCs (mit Bildschirm, Tastatur und Maus) erhalten, welche über die Ernst von Siemens Kunststiftung für die Bibliotheken im Gebiet Riwne bereitgestellt werden konnten. Des Weiteren wurde über die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) bei dem BKM Gelder beantragt, um unter anderem mehrere Scanner für die Wernadskyj-Nationalbibliothek der Ukraine in Kiew beschaffen zu können.
Hilfsmaßnahmen der Archive
Das Bundesarchiv hat bereits Materiallieferungen für die Staatlichen Archive in Lviv, Ivano-Frankiwsk und Tarnopol in Zusammenarbeit mit dem polnischen Pilecki-Institut zusammengestellt und verschickt. Die Lieferung umfasste u.a. Verpackungsmaterial, Transportkisten, 2 Scanner und ein Notstromaggregat. Weitere Scanner und finanzielle Hilfen wurden angefragt. Aktuell wird die Beschaffung und Lieferung von vier Archivscannern für Digitalisierungsmaßnahmen in der Ukraine vorbereitet. Zudem haben das Bundesarchiv und Pilecki-Institut das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen bei Hilfslieferung für ukrainische Archive logistisch unterstützt. Personell unterstützt das Bundesarchiv die vom DAI und den Notfallverbünden aufgebaute Infrastruktur von regionalen Sammelstellen für Hilfsgüter. Dabei werden für die Standorte in Berlin und Halle/S. Geräte und Materialien bereitgestellt. Der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare hat über seine Kanäle Sachspenden von Archivar*innen und Archivträge organisiert.
Monitoring kriegsbedingter Schäden
Blue Shield Deutschland hat eine Monitoring-Gruppe mit dem Ziel eingerichtet, Meldungen zu kriegsbedingten Schäden und Verlusten von Kulturgut in der Ukraine zu sammeln, zu strukturieren und so weit wie möglich zu verifizieren. Der Ukraine-Monitor vermittelt einen ersten Eindruck vom Ausmaß der Zerstörungen in 12 von 24 Regionen.
Datentransfer und Datensicherung
Das Deutschen Zentrum Kulturgutverluste bietet eine Sofortsicherung von Daten (Inventarverzeichnisse, Bestandskataloge, etc.) zu kulturellen Beständen an. Ziel des Angebots ist die Möglichkeit der Rekonstruktion der aktuellen Bestände der ukrainischen Einrichtungen, falls im Zuge des weiteren Verlaufs des Krieges Kulturgüter bzw. entsprechende Inventare vernichtet, beschädigt oder abtransportiert werden. Vor diesem Hintergrund wurden ukrainische Einrichtungen in ihrer Landessprache angeschrieben und Datensicherungen angeboten. Die Daten werden kostenfrei zeitlich unbegrenzt und datenschutzkonform verwahrt. Das Deutsche Archäologische Institut (DAI) stellt in großem Umfang Speicherplatz für die Sicherung von Datenbeständen zum kulturellen Erbe der Ukraine zu Verfügung. Bis zum Anfang der 21. KW wurden mehr als 7 Terrabyte Daten auf die sicheren Server des DAI geladen. Komplementär dazu wurden und werden Stipendien für Wissenschaftler*innen vor Ort vergeben, damit diese sich aktiv für die Dokumentation und den Schutz des kulturellen Erbes einsetzen können. Die Mittel für die Stipendien stammen aus dem Kulturerhaltsprogramm des Auswärtigen Amtes sowie von der Hasso-Plattner-Foundation und dem Förderverein des DAI, der Theodor Wiegand Gesellschaft. ICOMOS bereitet eine Lieferung von Dokumentationsmaterial (Kameras, Scanner, Computer) vor.
Stipendien und Initiativen
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hat über ihr Stipendienprogramm bisher 10 Stipendiat*innen aus der Ukraine in den Staatlichen Museen zu Berlin, der Staatsbibliothek und dem Institut für Musikforschung aufgenommen. Insgesamt werden 20 Plätze vergeben. ICOMOS konnte einen Lehrauftrag vermitteln. In Partnerschaft mit der TU Berlin wurde online eine Vorlesungsreihe zur Kunstgeschichte der Ukraine initiiert und eine Online Summer School “Heritage in the Shadow of Conflict” Ende Juni 2022 durchgeführt.